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Ensemble Rossi - Sonderpressung

Ensemble Rossi

1996, Eigenproduktion

CD

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Auch auf diversen Streaming-Plattformen verfügbar:

    

Titel:

  1. Uzicka Carlama (Serbien) 
  2. Balkanisches Vorspiel 
  3. Ovdoviala Lissitchkata (Das Füchslein, Bulgarien) 
  4. Branle Cassandre (Frankreich) 
  5. Tarantella (Italien) 
  6. Makedonisch 13/8 
  7. Aa ormekongin kom seg (Der Schlangenkönig, Norwegen) 
  8. Lachquadrille (Westfalen) 
  9. 5 minus 7  
  10. Waltz Without Women 
  11. Roata (Rumänien) 
  12. A lado de mi Cabana (Spanien) 
  13. Demollierter Ce 
  14. Hora din vilcea (Rumänien) 
  15. S'isch äben e Mönsch (Schweiz) 
  16. 6-5-7 
  17. Erikalin farin katumurpolska (Finnland) 
  18. Popa dica (Rumänien) 
  19. Die krumme 12 
  20. Phrygisch / Sanie Cuzurgalai (Israel / Rumänien) 
  21. Mondina (Spanien) 
  22. Türkische Impression 
  23. Glavinisko Horo (Bulgarien) 
  24. Makedonisch b-moll 

Das Ensemble Rossi

Mit der vorliegenden CD zieht das Ensemble Rossi einen Querschnitt durch sein umfangreiches Repertoire an Liedern, Tänzen und Spielstücken aus ganz Europa.
13 Musiker spielen unter der Leitung von Henner Diederich Folkloremusik in kammermusikalischer Besetzung.

Das Ensemble Rossi kann dabei auf eine langjährige Tradition zurückschauen. Sein Gründer Ernesto Rossi (1920-1979) lernte europäische Volksmusik während der Kriegsgefangenschaft in der Ukraine durch Mitgefangene kennen. Nach seiner Entlassung begann er 1951 in Düsseldorf mit dem Aufbau einer Folkloregruppe, die bald von sich reden machte und als Modell von der Landesarbeitsgemeinschaft Musik in NRW gefördert wurde. Ernesto Rossi legte einen besonderen Schwerpunkt auf die musikalische Arbeit mit Kindern, die auch heute durch das Ensemble fortgesetzt wird (z.B. Schulfunkproduktionen beim WDR).

Durch Experimentieren mit Formen, Rhythmen und Melodien der europäischen Folkloremusik hat das Ensemble Rossi einen Musikstil entwickelt, der seine Anregungen nicht nur aus der authentischen Volksmusik, sondern auch von der Improvisation, vom Jazz und von der Klassik bezieht. So entsteht eine farbige, nuancenreiche Folkloremusik ganz eigener Prägung.

Das Repertoire des Ensemble Rossi umfasst heute hunderte Tänze und Lieder von Spanien bis Russland, von Sizilien bis Finnland mit einem Schwerpunkt auf Südeuropa in den Arrangements von Ernesto Rossi und Henner Diederich.

Bekannt wurde das Ensemble Rossi durch zahlreiche Konzerte und Rundfunksendungen, Schallplatten (die Reihe Europäische Tänze“, Möseler Verlag; „Unser Liederbuch-Schalmei“, Klett-Verlag, 1982 mit dem Kinder- und Jugendschallplattenpreis ausgezeichnet; „Ensemble Rossi“, 1985) und Konzertreisen u.a. nach Rumänien, Frankreich, Japan und in die ehemalige Sowjetunion. Notenmaterial des Ensemble Rossi ist in der Reihe „Europäische Folklore in offenen Besetzungen“ beim Möseler Verlag, Wolfenbüttel, veröffentlicht.

Lieder, Tänze und Kompositionen

Zu Beginn ist ein rasanter Tanz aus Mitteleuropa zu hören. Dieser Kolo (serbokroatisch = Rad), ein weitverbreiteter Kreistanz im 2/4-Takt, ist nach dem Ort Užice benannt: „Užička Čarlama“.
Der besondere Reiz seiner harmonisch mehrdeutigen Melodie zeigt sich im Begleitsatz durch das Schwanken zwischen Dur und Moll und der Untermalung mit den typischen Akkordrückungen („Balkanrückungen“).

Das „Balkanische Vorspiel“ ist eine Komposition von Ensemble-Gründer Ernesto Rossi. Dieser hat typische balkanische Motive zusammengefasst und den rhythmisch-prägnanten 7/8-Takt verwendet.

Das erste Gesangsstück „Ovdoviala Lissitchkata - Das Füchslein“ ist ein Kinderlied aus Bulgarien. Es beschreibt die Abhängigkeit der Landarbeiter von der Obrigkeit, versteckt die Klage jedoch als Fabel hinter einer Kinderliedmelodie. Nur die schnelle und rhythmische Begleitung verweist auf die Sozialkritik.

Die Melodie des französischen Tanzes „Branle Cassandre“  hat eine sehr wechselvolle Geschichte durchlaufen. Sie stammt aus dem 16. Jahrhundert und war während der französischen Revolution sowohl heimliche Hymne der Royalisten als auch Kampflied der bürgerlichen Revolutionäre. Nach der politischen Restauration 1814/15 galt sie vor allem in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts als inoffizielle Hymne unter dem „Bürgerkönig“ Louis Philipp. Die Melodie, die viermal erklingt, erscheint durch den Wechsel der harmonischen Begleitung jeweils in neuem Licht. Ihre Besonderheit liegt im Themeneinstieg auf der Septime (bezogen auf den Bordun-Ton), der im folgenden durch eine Umspielung noch weiter ausgereizt wird. Harmonisch bewegt sie sich in den beiden Kirchentonarten dorisch und äolisch.

Die „Tarantella“ aus Sorrento in Italien ist ein in Süditalien weit verbreiteter Tanz, der auf okkulte Tanzformen des 18. und 19. Jahrhunderts zurückgeht. Die dabei gebräuchliche Schellentrommel (Tamburin) wird meist von den Tänzern gespielt.

Mit „Makedonisch 13/8“ geht es wieder auf den Balkan. Wie der Name schon verrät, stammt das Stück aus dem Land, das heute im Dreiländereck Griechenland, Bulgarien und dem selbständigen Makedonien liegt. Hier gibt es eine sehr ausgeprägte Volksmusiktradition, die durch türkischen Einfluss die kompliziertesten Rhythmen hervorgebracht hat, die sogenannten „Aksak-Rhythmen“: Sie sind Mischungen aus geraden und ungeraden kleinsten rhythmischen Bausteinen und ergeben im Fall des 13/8-Taktes folgendes Muster: 2 2 2 3 2 2. Die dominierende Trommel umspielt dieses Schema jedoch sehr frei. Weitere „Aksak-Rythmen“ sind zum Beispiel der 5/8-, der 7/8- (s.o. Balkanisches Vorspiel) oder der 11/8-Takt. Dieser 13/8-Tanz ist zudem durch seine übermäßigen Sekundschritte in der Melodie ein typischer Vertreter des sogenannten „Zigeuner-Dur“.

In der Ballade vom „Schlangenkönig - Aa ormekongin kom seg“ wird der tragische Tod der Solfager besungen., die sich den Nachstellungen des Schlangenkönigs hartnäckig widersetzt. Dieses Volkslied, das auch von Edvard Grieg bearbeitet wurde, stammt aus Norwegen und ist ein Beispiel der norwegischen Liedtradition des 19. Jahrhunderts. Hervorzuheben ist dabei vor allem die metrisch sehr freie Liedgestaltung.

Die „Lachquadrille“  aus Deutschland war als Tanzform im Carrée im 19. Jahrhundert weit verbreitet. Das Besondere einer Lachquadrille sind die ersten vier Takte im zweiten Teil, die durch Achtelnoten das Lachen imitieren, einer Gepflogenheit, die auf das „Augsburger Tafelkonfekt“ von 1733 zurückzuführen ist, einer von Valentin Rathgeber herausgegebenen Tafelmusiksammlung.
Der vorliegende Tanz aus Westfalen ist eine Bearbeitung von Ernesto Rossi und wurde einer Tanz- und Liedersammlung Franz Magnus Böhme aus dem 19. Jahrhundert entnommen.

Das folgende Stück fällt durch seine unkonventionelle Bezeichnung auf: „5-7“. Sie verdeutlicht das besondere harmonische Gerüst, das regelmäßig einen Septimenakkord (7) mit einer verminderten Quint (5-) aufweist. Dieses Stück nach balkanischen Motiven ist ebenso wie der nächste Tanz eine Komposition des Ensemble-Leiters Henner Diederich.

Der „Waltz without women“ entspricht in seiner Melancholie einer Musette aus Frankreich und wird in kleiner Besetzung gespielt. Der Titel geht auf eine spontane Idee zurück, da bei der ersten Probe dieses Stückes sämtliche Musikerinnen fehlten.

Die „Roata“ vertritt eine der meistverbreiteten Tanzfamilien aus Rumänien. Der schnelle Tanz im 2/4-Takt lebt von seiner Vitalität und Virtuosität, was durch die typische Tempobeschleunigung unterstrichen wird. Harmonisch reizvoll erscheint im Begleitsatz das permanente Spiel mit der Terzverwandtschaft (e-moll/g-moll).

Das spanische „Al lado de mi cabaña - neben meiner Hütte“ ist ein nordkastilianisches Volkslied aus Leòn. Es beschreibt das genügsame und zufriedene Leben eines Bauern. Das Lied ist im schnellen 3/4-Takt geschrieben und mit seiner Begleitung durch Gitarren und Händeklatschen (oder Kastagnetten) ein Vertreter des „Fandango-Tanzes“. Darauf verweisen auch die diatonischen Akkordrückungen abwärts (g-moll/F-Dur/Es-Dur/D-Dur), die charakteristisch für den „Malagueña-Tanz“ sind, einer speziellen „Fandango“-Tanzart aus der Umgebung von Malaga.

„Demollierter Ce“ ist eine Komposition von Henner Diederich nach rumänischen Motiven. Titel verweist auf die harmonische Wendung von C-Dur nach d-moll, die das gesamt Stück durchzieht.

„Hora din Vîlcea“, ein Originaltanz aus Rumänien, wird ganz von Zupfinstrumenten beherrscht. Es ist ein Kreistanz (=Hora =Kolo) aus der am Rande der Südkarpaten gelegenen Stadt Rîmnicu Vîlcea. Der typische, einfache Aufbau der Melodie zeigt sich vor allem in der ständigen Wiederholung eines bestimmten Motivs. Das Besondere an dieser Einspielung ist der Einsatz zweier bulgarischer „Tambura“ als Melodieinstrumente. Dieses Instrument gehört zur Familie der Langhalslauten und wird meist nur als Bordun- oder Akkordinstrument genutzt. Hier ist ein Banjo als Akkordinstrument zu hören, das in reizvollem Kontrast zu den Tambura steht.

Das Lied ´S isch äben e Mönsch uf Ärde - Es ist ein Mensch auf Erden“ beschreibt eine tragische, nicht erfüllte Liebe eines Mädchens. Diese Schweizer Liebesklage vom Guggisberg im Kanton Bern stammt aus der Zeit um 1700.

Rhythmisch äußerst kompliziert wird es in der Komposition „6-5-7“ von Henner Diederich nach makedonischen Motiven. Sie besticht vor allem durch ihren „hinkenden“ Rhythmus („Aksak“): Nach einem 6/8-Takt folgen 5/8- und 7/8-Takt = 6-5-7. Daraus ergibt sich folgendes Taktschema: 2 2 2, 3 2, 3 2 2. Die treibende Kraft ist hier die große Trommel, die aber nicht nur streng metrisch geschlagen wird, sondern auch Zwischenbetonungen einbaut.

„Erikalin faarin katumuspolska“ (Katumus = Reue, Buße) ist der Titel des Tanzes aus Jalasjärvi in Finnland und heißt übersetzt etwa: Großvater Erics Festtagspolnischer. Der Titel verweist auf die Übernahme polnischer Tänze nach Skandinavien. Die Melodie zeigt eine rhythmische Besonderheit, da sie sowohl volltaktig als auch auftaktig gespielt werden kann. Die Vermischung von beidem hält sie anfangs in einer eigentümlichen Schwebe.

„Popa diçe - Pope sagt“ ist ein rumänisches Spottlied auf den Klerus. Wurden kirchliche und religiöse Texte während der kommunistischen Herrschaft auch verboten, so erfreuten sich solche Spottlieder doch großer Beliebtheit. Die in diesem Lied enthaltene Möglichkeit eines Kanons im Abstand einer Viertelnote ist von Henner Diederich entdeckt worden.

Die vom Ensembleleiter komponierte „Krumme 12“ ist wiederum ein Stück mit einem „verbeulten“ Rhythmus. Hier taucht der 12/8-Takt nicht wie üblich in der Aufteilung vier mal drei auf, sondern im Taktschema: 2 2 3 3 2 oder auch zwischendurch im Muster: 2 3 3 2 2. Rhythmus und Harmonik sind hier wieder stark makedonisch beeinflusst.

Eine aus israelischen Motiven und einem rumänischen Lied zusammengesetzte Komposition ist „Phrygisch - Sani Cuzurgalai“. Der erste sehr langsame Teil steht in der Kirchentonart phrygisch. Der schnelle zweite Teil ist auch als Liedversion in den USA bekannt: „Jonny is a boy for me“. Die Zusammensetzung israelischer und rumänischer Musikteile ist dabei von Henner Diederich nicht willkürlich vorgenommen worden, sondern entspricht der Verbindung vieler solcher Elemente in der israelischen Musik überhaupt.

Das spanische „Mondiña“  ist von Ernesto Rossi bearbeitet. Auch dieser Tanz zeigt den für den spanischen Fandango typischen schnellen 3/8-Takt mit den häufigen Harmoniewechseln.

Die „Türkischen Impressionen“ fallen besonders durch die Bearbeitung auf. Die original-türkische Melodie ist hier von Henner Diederich mit einem modernen Arrangement, das an Bartok oder Strawinsky erinnert, unterlegt worden. Neben der Chromatik entwickelt sich ein sehr unregelmäßiges Metrum in Rhythmus und Melodie.

„Glavinisko Horo“ ist ein schneller Tanz im 11/16-Takt. Er stammt aus dem bulgarischen Glavinica in Westthrakien. Auch dieser Tanz weist den balkantypischen asymmetrischen Rhythmus auf (2 2 3 2 2) und ist ein verbreiteter und beliebter Kreistanz, der sehr schnell gespielt wird.

Das letzte Stück aus der vorliegenden Einspielung „Makedonisch b-moll“  setzt sich aus makedonischen und anderen balkanischen Motiven zusammen. Bearbeitet wurde es von Ernesto Rossi. Das äußerst virtuos gespielte Marimbaphon wird dabei anfangs im ungeraden und erst später im geraden Metrum begleitet. Das Tempo steigert sich im Stück bis an die Grenzen des technisch Spielbaren.